03. November 1918

Die MSPD organisierte im Wilhelmsgarten eine Veranstaltung, auf der der Reichstagsabgeordnete Gustav Noske (MSPD) zu den Versammelten über das „neue Deutschland“ sprach, indem er eine Demokratisierung durch eine neue Verfassung, die grundlegende Reformierung des Wahlrechts und die Errichtung eines Strafgerichtshofs, um die für den Krieg Verantwortlichen anzuklagen, in Aussicht stellte, im weiteren ebenso gegen das „bolschewistische Chaos durch Entfesselung des Bürgerkrieges“ Stellung nahm. Außerdem müsste der Kaiser zurücktreten (BLZ 03.11.1918). (Unmittelbar nach seiner Rückkehr nach Berlin ließ ihn Ebert am Tag darauf nach Kiel reisen, um den Matrosenaufstand unter Kontrolle zu bringen).

Die USPD organisierte am selben Tag (03.11.) eine Versammlung auf dem Leonhardplatz, auf der der gerade aus der Haft entlassene Reichstagsabgeordnete Karl Liebknecht (USPD und Spartakusmitglied) sprechen sollte. Aufgrund der Ereignisse in Kiel reiste Liebknecht zur Marinestadt, so dass war August Merges als Sprecher der USPD / Spartakus auftrat. Merges verkündete vor mehreren tausend Zuhöhrern, dass die „Übernahme der Macht durch die Klasse der Werktätigen“ unmittelbar bevorstünde und fügte hinzu: “Vielleicht in den nächsten Tagen wird man euch wieder gebrauchen. (zit.n. Bein, Herzgtm, 238)

Augenzeugenbericht:

„Und 8 Tage bevor es hier losging, den Sonntag zuvor, das muss ich noch erzählen. Das war auch sehr schön. Da kam also eines Abends August Merges zu mir, ich weiß nicht mehr wo wir uns getroffen haben, – sagt der: du musst morgen früh um 9 Uhr, da musst du auf der Kuhstraße sein bei dem Pferdehändler da. Ja, ist gut. Wurde nicht gefragt: warum? weshalb? wieso? Da war irgendwas im Busch. Komme da hin; August Merges ist schon da. Und da verhandelt der schon mit dem Pferdehändler, dass er einen Breakwagen [Kutschenart] kriegt und ’nen Gaul davor. Also da sollte dann die große Versammlung, die öffentliche Versammlung auf dem Leonhardtsplatz steigen. Da sollte auch Karl Liebknecht sprechen. Und August zu mir: du setzt dich jetzt auf den Kutschbock und fährst mich nach dem Leonhardtsplatz. Der Breakwagen, der sollte nämlich die Rednertribüne werden. Ich sage: Mensch August! Ich habe noch nie Pferdezügel in der Hand gehabt. Setz dich man da drauf. Der Pferdehändler: ach, das ist ein treues Tier, da können Sie ruhig mit losfahren; rechts und links kennen Sie ja, nicht wahr, dann ziehen Sie rechts oder links, wo er hin soll. Ist gut. (…) Wir kamen dann von der Kastanienallee über Altewiekring zum Leonhardsplatz: eine Riesenmenschenmenge da. Oh, sagt August, sind ja ein paar Leute da. Aber leider – Robert Gehrke, der funktionierte damals als Kurier immer zwischen Berlin und Braunschweig vom Spartakusbund. Der kam mit dem Bescheid, dass also Karl Liebknecht nicht kommen kann, weil er dringend in Berlin gebraucht wird. Wir hatten Verständnis dafür. Das war natürlich ein bißchen enttäuschend für die Versammlungsteilnehmer, aber es wurde ihnen dann erklärt. Na ja, sie waren zufrieden und dann hat August Merges referiert. Und das war der eigentliche Auftakt; also die Bereitschaft, diese kommenden Ereignisse nun als gegeben zu betrachten, das war gut für uns, für die ganze Stimmung. Die wussten also, das muss jetzt irgendwie vorbei sein.“

Wilhelm Hillger (in: Braunschweig 1918. Illustrierte Zeitung zur Geschichte der Braunschweiger Arbeiterbewegung, HBK 1978)