Der Erste Weltkrieg begann Anfang August 1914, nachdem bereits seit Jahren mehrmals der Beginn militärischer Konflikte zwischen Deutschland und den europäischen Großmächten drohte. Es ging dabei letztendlich um weltpolitische Einflussnahme und politische und wirtschaftliche Machtansprüche der Nationalstaaten.
Kaiser Wilhelm II. hatte den Krieg an Russland und an Frankreich erklärt, aber er brauchte vom Reichstag die Bewilligung zu Kriegskrediten, um den Krieg zu finanzieren.
Burgfriedenspolitik
„Wir Sozialdemokraten wissen sehr wohl, dass der Weltfriede eine Utopie bleibt, solange die kapitalistische Wirtschaftsordnung nicht abgeschafft ist.“ (Rosa Luxemburg, 1911)
Der Kampf für den Frieden und gegen den drohenden Krieg bildete ein Kernthema der Sozialdemokratie im beginnenden 20. Jahrhundert. Auf einem außerordentlichen Sozialistenkongress der II. Internationale im November 1912 in Basel kamen 555 Delegierte aus 23 Ländern zusammen und erhielten weltweit Aufsehen in der Öffentlichkeit mit ihrem Ausruf: „Gegen den Krieg!“. Vertreter der SPD forderten dazu auf, falls es dennoch zum Krieg kommen sollte, „die durch den Krieg herbeigeführte wirtschaftliche und politische Krise zur Aufrüttelung des Volkes auszunutzen und dadurch die Beseitigung der kapitalistischen Klassenherrschaft zu beschleunigen“ (aus dem Protokoll des SPD-Parteitages in Jena 1913).
Nur wenige Tage vor der Mobilmachung des Deutschen Reiches auf kaiserlichen Befehl hatte die SPD – auch in Braunschweig – noch Massendemonstrationen für den Frieden abgehalten und zum Widerstand gegen den Krieg aufgerufen.
Am 04.08.1914 fand die Reichstagssitzung zur Bewilligung der Kriegskredite statt. Die SPD war stärkste Fraktion.
Die SPD-Fraktion stimmte den Kriegskrediten zu – ein Schock für viele sozialdemokratische Anhänger. Führende Sozialdemokraten erhofften sich als Gegenleistung für ihre „patriotische Zuverlässigkeit“ eine größere Anerkennung ihrer Partei durch den Kaiser und die Gewährung von mehr Demokratie, insbesondere die lange geforderte Abschaffung des preußischen Dreiklassenwahlrechts und umfangreichere parlamentarische Befugnisse für den Reichstag. Innerhalb der SPD-Fraktion hatten die Kriegsbefürworter die Mehrheit erlangt und die erklärten Kriegsgegner beugten sich der Fraktionsdisziplin.
Große Teile der Bevölkerung und Politik glaubten auch der Propaganda, es würde sich um einen Krieg zur Verteidigung Deutschlands handeln. Die Führer der Arbeiterbewegung hatten sich damit auf einen „Burgfrieden“ eingelassen: alle bisherigen Konflikte wurden zurückgestellt, um gemeinsam das Vaterland zu verteidigen.
Auch die Gewerkschaften verfolgten diese Linie: Schon am 02.08.1914 beschlossen sie, für die Dauer des Krieges alle Lohnkämpfe abzubrechen bzw. zu vermeiden sowie für den Fall von Streiks den Streikenden jede Streikunterstützung zu versagen.
Opposition gegen den Krieg und Spaltung der SPD
Bei weiteren Kriegskrediten verweigerten die Kriegsgegner ihre Zustimmung im Reichstag. Karl Liebknecht wurde daraufhin aus der SPD-Fraktion ausgeschlossen. Die Kriegsgegner wurden nicht nur von der Staatsgewalt verfolgt und verhaftet, sondern auch von den sozialdemokratischen Kriegsbefürwortern ausgegrenzt. In Braunschweig waren insbesondere die Jugendlichen des 1907 gegründeten „Bildungsvereins jugendlicher Arbeiterinnen und Arbeiter“ aktiv
gegen den Krieg.
Im ganzen Reich schlug 1916 die Stimmung um, als die Auswirkungen des Krieges deutlicher wurden. Die Protestbereitschaft wuchs.
Die unterschiedliche Haltung zum Krieg führte schließlich zur Spaltung der SPD und neuen Gruppierungen.
Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg gaben illegal eine Zeitschrift heraus und gründeten die Gruppe „Spartakus“. Die Gründung einer Braunschweiger Spartakusgruppe erfolgte Anfang 1916 im Filmspielhaus Wendenstraße mit rund 500 Mitgliedern. Vorstandsmitglieder waren August Merges, Rudolf Sachs und Robert Gehrke. Bis Ende 1918 war die Gruppe in Braunschweig auf rund 1.000 Mitglieder angewachsen.
1917 schlossen die Kriegsunterstützer in der SPD die Kriegsgegner aus der Partei aus. Diese gründeten die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschland USPD. Braunschweig galt bald als Hochburg der USPD.
Der Braunschweiger „Volksfreund“ hatte sich mit Beginn des Krieges auch auf die Seite der Befürworter begeben. Ab 1915 vertrat er aber wieder die Auffassungen der Opposition und kritisierte die Politik des Burgfriedens.
Darüber hinaus wurde publik gemacht, wie Rüstungsbetriebe wie Büssing, Amme/Giesecke/Konegen und Jüdel und die Konservenindustrie mit dem Krieg ihre Gewinne steigerten.
Der Krieg
Der Erste Weltkrieg wurde zu einem „Menschenschlachthaus“ – so der Titel eines Buches von 1912, in dem der Schriftsteller und Lehrer Wilhelm Lamszus „Bilder vom kommenden Krieg“ beschrieb. Es zeigt, wie vorhersehbar der Krieg gewesen war. Dabei ist das Ausmaß an menschlichem Leid, Entbehrungen, zerstörten Lebensentwürfen sowie des Sterbens durch Kriegshandlungen und Hunger bis heute schwer fassbar.
Rund 40 Staaten nahmen direkt oder indirekt teil. 60 Millionen junge Männer wurden Soldaten, allein im Deutschen Reich waren es 13 Millionen, von denen mehr als 2 Millionen gefallen sind. Die skrupellose Kriegsführung widersprach den Grundsätzen der Haager Landkriegsordnung. Die von vorn herein beabsichtigte Missachtung der belgischen Neutralität, die Gewalt gegen Kriegsgefangene und Zivilisten, der Einsatz von Giftgas sowie die gegen deutsche Zivilisten gerichtete alliierte Seeblockade als Antwort auf den uneingeschränkten U-Boot- Krieg durch Deutschland offenbarten einen „totalen“ Krieg, in den nicht nur Soldaten, sondern auch die gesamte Bevölkerung der am Konflikt beteiligten Gesellschaften einbezogen wurden. Es war der erste Krieg in der Menschheitsgeschichte, der nicht mehr Mensch gegen Mensch, sondern industriell aus der Luft und unter Wasser geführt wurde.
Die Pressezensur in Deutschland verhinderte ab 1915 eine realistische Berichterstattung sowohl über den Krieg als auch über die Zustände zuhause.
In den Fabriken führten die Einberufungen zu einem Mangel an Arbeitskräften. Überstunden, Nacht-, Akkord- und Sonntagsarbeit wurden in der Rüstungsindustrie zur Regel. Im Verlauf des Krieges stieg die Zahl der in der Industrie arbeitenden Frauen um 50 Prozent an.
Gleichzeitig verschlechterte sich die Versorgungslage monatlich. In der Illusion eines schnellen Sieges waren die normalen Nahrungsmittelvorräte bereits in den ersten Kriegsmonaten verbraucht. Im Sommer 1917 hatten die zugeteilten Lebensmittel nur etwa 1000 Kalorien pro Tag, 2280 wurden als Minimum angesehen. Ab Winter 1916/17 litten immer mehr Menschen aufgrund der mangelhaften Nahrungsmittelversorgung an Unter- und Fehlernährung. Während des Ersten Weltkriegs starben in Deutschland rund 750.000 Menschen an Unterernährung und an deren Folgen (Anfälligkeit für Tuberkulose, „Blutarmut“ vor allem bei Kindern und andere Krankheiten).
Bei Kriegsende waren rund 3 Millionen physisch und psychisch versehrte Veteranen nach Deutschland zurückgekommen.
Das Ende des Krieges und die Revolution
Im Herbst 1918 wurde offensichtlich, dass die deutsche Armee den Krieg nicht mehr gewinnen würde. Nach einem Befehl der deutsche Marineführung vom 24.10.1918, der zu einer Entscheidungsschlacht mit der britischen Flotte führen sollte, kam es zur massenhaften Gehorsamsverweigerung von Matrosen in Wilhelmshaven und Kiel. Der Matrosenaufstand wurde zum Ausgangspunkt der Novemberrevolution.
„Zur gleichen Zeit machten sich Tausende blau gekleidete deutsche Matrosen mit roten Fahnen in grünen Zügen auf den Weg von den Küstenstädten, die sie in einer Revolte in ihre Gewalt gebracht hatten, in alle Winkel des Reiches und verbreiteten in Windeseile ihre Botschaft: „Nieder mit dem Krieg, nieder mit dem Kaiser!“
(Klaus Gietinger)
Am 07.11.1918 trafen Matrosen aus Kiel am Braunschweiger Hauptbahnhof ein. Die Braunschweiger Revolutionäre riefen für den Folgetag den Generalstreik aus. Arbeiter und Soldaten taten sich zusammen.
Der Krieg war zu Ende. Um die Braunschweiger Bevölkerung rechtzeitig über die Ankunft größerer Truppenverbände zu informieren, beschloss der Arbeiter- und Soldatenrat, „1 ½ Stunden vor Ankunft (…) sämtliche Glocken der Stadt 10 Minuten lang läuten zu lassen.“
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